§ Kommentar
Besteht Klagebefugnis anerkannter Umweltverbände gegen eine Baugenehmigung gemäß § 30 Abs. 1 und 2 BauGB?
Zu VGH Bayern, Beschluss vom 11.04.2018 – 2 CS 18.198 -.
7. Mai 2018
Der Antragsteller bemühte den Senat, unter Aufhebung des Beschlusses des Verwaltungsgerichts die aufschiebende Wirkung seiner Klage gegen die Baugenehmigung zum Neubau einer Produktionshalle mit Kranbahnen sowie von zwei Spänesilos anzuordnen. Der Senat folgte jedoch der Auffassung des Vorgerichts (VG Augsburg), dass dem Antragsteller die Antragsbefugnis analog § 42 Abs. 2 VwGO fehlt.
Das Gericht war somit mit der Frage befasst, wann eine Baugenehmigung unter den Begriff der für einen anerkannten Umweltverband rechtsbehelfsfähigen Entscheidung nach § 2 Abs. 1 i. V. m. § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 UmwRG fällt. Der Antragsteller sei gemäß den Ausführungen des Gerichts jedoch nicht antragsbefugt. Dem Umweltrechtsbehelfsgesetz (UmwRG) liege das Prinzip eines nach dem Enumerationsprinzip abschließenden Katalogs von rechtsbehelfsfähigen Entscheidungen zu Grunde. Sofern eine Entscheidung nicht unter den normierten Katalog falle, so sei das Umweltrechtsbehelfsgesetz in aller Regel auch nicht analog anwendbar. Die Voraussetzungen der hier in Betracht kommenden rechtsbehelfsfähigen Entscheidungen nach § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 UmwRG liegen jedoch nicht vor. Die Anwendbarkeit der Vorschrift setze einen Verwaltungsakt oder einen öffentlich-rechtlichen Vertrag, durch den ein anderes als in Nr. 1 bis 2b genanntes Vorhaben unter Anwendung umweltbezogener Rechtsvorschriften zugelassen wird, voraus. Der Gesetzgeber bedient sich hierbei des aus dem Planungsrecht entnommenen Vorhabensbegriffs, der sich im Hinblick auf eine Baugenehmigung oder Teilbaugenehmigung zumindest nicht grundsätzlich verneinen lasse. Bei einer Baugenehmigung oder einer Teilbaugenehmigung nach § 30 BauGB kommen bei der Zulassungsentscheidung jedoch gerade keine solche umweltbezogenen Rechtsvorschriften zur Anwendung. Zwar verweise § 35 Abs. 3 Nr. 5 BauGB ausdrücklich auf die Belange des Naturschutzes als öffentlichen Belang. Hingegen stelle § 30 BauGB allein auf die Festsetzungen des Bebauungsplans und die gesicherte Erschließung ab. Zudem sei § 34 BNatSchG bereits bzw. nur (und nicht nach § 30 BauGB) im Rahmen des Bauleitplanverfahrens zu prüfen. Die Prüfung der umweltbezogenen Rechtsvorschriften finde somit auf der Ebene der Bauleitplanung und nicht auf der Ebene der Zulassungsentscheidung eines einzelnen Vorhabens statt. Eine Doppelprüfung sei nicht vorgesehen.
Anerkannten Umweltverbänden steht somit kein Wahlrecht zwischen dem Vorgehen gegen einen Bebauungsplan durch einen Normenkontrollantrag und einer Inzidentkontrolle durch eine Klage gegen eine Einzelbaugenehmigung nach § 30 Abs. 1 BauGB zu.
Eine gemäß § 30 Abs. 1 BauGB auf der Grundlage eines Bebauungsplans erteilte Baugenehmigung stellt also keine Zulassungsentscheidung im Sinne des § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 UmwRG dar. Hierfür mangelt es an der Anwendung umweltbezogener Vorschriften des Bundes- oder Landesrechts. Selbst ein anerkannter Umweltverband ist damit für eine Verbandsklage nicht antragsbefugt.
Urteil:
VGH Bayern, Beschluss vom 11.04.2018 – 2 CS 18.198 -, juris.
Verfahrensgang:
VG Augsburg, Beschluss vom 04.01.2018 – Au 4 K 17.1798, Au 4 S 17.1800
Gesetze:
Baugesetzbuch in der Fassung der Bekanntmachung vom 3. November 2017 (BGBl. I S. 3634).
Umwelt-Rechtsbehelfsgesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 23. August 2017 (BGBl. I S. 3290).