Städtebaurechtsnovelle 2017

§ Kommentar


Städtebaurechtsnovelle 2017

Zu den Änderungen des BauGB und der BauNVO vom Mai 2017

16. Mai 2017

 

Am 12. Mai 2017 wurde im Bundesgesetzblatt Nr. 25 das Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie 2014/52/EU im Städtebaurecht und zur Stärkung des neuen Zusammenlebens in der Stadt veröffentlicht. Dies bildet den Kern der Städtebaurechtsnovelle 2017, die insbesondere die Anpassung an die Vorgaben der Richtlinie 2014/52/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. April 2014 zur Änderung der Richtlinie 2011/92/EU über die Umweltverträglichkeitsprüfung bei bestimmten öffentlichen und privaten Projekten (ABl. L 124 vom 25.4.2014 S. 1) umfasst. Zugleich wurden die zunehmenden Anforderungen an das Zusammenleben in den Städten in verdichteten Regionen aufgegriffen und entsprechende Regelungen vorgenommen.

Im Kern beinhaltet die Novellierung folgende Aspekte:

  • Befristet bis zum 31. Dezember 2019 können Bebauungspläne für die Schaffung der planungsrechtlichen Zulässigkeit von Wohnnutzungen mit einer Grundfläche von bis zu 10.000 m² im beschleunigten Verfahren aufgestellt werden, wenn sie an im Zusammenhang bebaute Ortsteile angeschlossen sind.
  • In der Baunutzungsverordnung wird die neue Baugebietskategorie „Urbane Gebiete (MU)“ eingeführt. Diese soll das Bauen in stark verdichteten städtischen Gebieten mit höherer Flexibilität und unter eigenen aber nicht grundsätzlich anderen Lärmschutzanforderungen ermöglichen. Parallel wird die Technische Anleitung zum Schutz gegen Lärm geändert.
  • Im unbeplanten Innenbereich kann bei Nutzungsänderungen baulicher Anlagen zu Wohnzwecken vom Erfordernis des Einfügens abgesehen werden.
  • Bestandteil der Novellierung sind ferner Regelungen zu Ferienwohnungen und Nebenwohnungen (Zweitwohnungen).
  • Die Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur Beherrschung der Gefahren schwerer Unfälle mit gefährlichen Stoffen wird durch ein Artikelgesetz und eine Artikelverordnung mit Änderungen vor allem im Immissionsschutzrecht umgesetzt werden. Zudem werden im BauGB Regelungen getroffen, deren Anwendung es ermöglicht, durch differenzierte Festsetzungen die Gefahren von Störfällen zu verringern.

Der neue § 13b BauGB bezieht die Bebauungsplanung auf Außenbereichsflächen an im Zusammenhang bebauten Ortsteilen in das beschleunigte Verfahren ein, wenn auf ihnen und auf nicht mehr als 10.000 m² Grundfläche die Zulässigkeit von Wohnnutzungen hergestellt wird. Die Regelung ist die Antwort auf einen in Teilen der Bundesrepublik hohen Entwicklungsdruck auf solche Flächen. Aufgrund der in der Regel auf an den Außenbereich angrenzenden Wohnbauflächen geringen Siedlungsdichten (z. B. GRZ von 0,3) kann der Geltungsbereich der so überplanten Flächen aber schnell Ausmaße annehmen, die (auch in der Summe der auf diese Weise in den Gemeinden durchgeführten Planungen) dem Zweck der Innenentwicklung deutlich entgegensteht. Schon mit der Flüchtlingsnovelle hatte der Gesetzgeber den Außenbereich für nicht privilegierte Vorhaben geöffnet (vgl. § 246 Abs. 3 BauGB). Die nunmehr eingeführte Regelung dürfte kaum dazu geeignet sein, die mit den vergangenen Novellen des BauGB angestrebte Förderung der Innenentwicklung zweckmäßig zu flankieren. Es bleibt ohnehin abzuwarten, ob der Gesetzgeber mit der Befristung der Regelung möglicherweise „zu kurz gedacht“ hat. Berücksichtigt man die im Wohnungsbau üblichen Planungs- und Realisierungszeiträume – inkl. Standortrecherche, Flächenkauf und Finanzierung – könnte der vorgegebene Zeitraum für eine praktische Anwendung zu kurz bemessen sein. Ein anderer denkbarer Regelungsinhalt, z. B. dass eine solche Planung lediglich in Einzelfällen und unter konkret zu definierenden Voraussetzungen durchgeführt werden darf, hätte eine durch die nunmehr vorgegebene Befristung ausgelöste „Hektik“ vermieden und die Anwendung ausschließlich in solchen Regionen erlaubt, in denen Wohnungsdruck tatsächlich besteht bzw. die städtebaulichen Bedingungen andere Wohnungsbaustandorte und Nachverdichtung tatsächlich ausschließen. Die Regelung wird in der vorliegenden Form wohl lediglich bei solchen Vorhaben Anwendung finden, deren Planung und Vorbereitung bereits hinreichend konkret ist. Zusätzlich anzumerken ist, dass unter den geschilderten Voraussetzungen von einer Prüfung der Umweltauswirkungen abgesehen werden kann. Da nun aber gerade die Inanspruchnahme von Flächen im Außenbereich für Wohnzwecke durch die unbestreitbaren Auswirkungen auf die Umwelt ein sensibles Thema darstellen, ist dieser Verzicht aus Nachhaltigkeitsaspekten kritisch zu sehen. Durch die zudem nicht notwendige Entwicklung aus dem Flächennutzungsplan entfällt de facto auch die Alternativenprüfung.

Mit der Einführung des Urbanen Gebietes hat der Gesetzgeber im Rahmen der Städtebaurechtsnovelle 2017 einen neuen Gebietstyp eingeführt, der dem Wohnen sowie der Unterbringung von Gewerbebetrieben und sozialen, kulturellen und anderen Einrichtungen, die die Wohnnutzung nicht wesentlich stören, dienen soll. Die Obergrenzen des Maßes der baulichen Nutzung gem. § 17 Abs. 1 BauNVO, die nicht überschritten werden dürfen, wenn eine Geschossflächenzahl oder eine Baumassenzahl nicht dargestellt oder festgesetzt wird, zeigen eine Orientierung des Urbanen Gebiets (GRZ 0,8 und GFZ 3,0) „zwischen“ Mischgebiet (GRZ 0,6 und GFZ 1,2) und Kerngebiet (GRZ 1,0 und GFZ 3,0), also einen dicht bebauten Gebietstyp mit hoher Geschossigkeit. Die Wohnfunktion des Gebietstyps ist in § 6a Abs. 1 BauNVO zuerst genannt, die Nutzungsmischung muss jedoch nicht gleichgewichtig sein. Die Immissionsrichtwerte für Immissionsorte außerhalb von Gebäuden sollen im Urbanen Gebiet (tags 63 dB(A) und nachts 45 dB(A)) hingegen „zwischen“ denen von Gewerbegebieten (tags 65 dB(A) und nachts 50 dB(A)) und Kern-, Dorf- und Mischgebieten (tags 60 dB(A) und nachts 45 dB(A)) (TA Lärm) liegen. Dies wird die Planung von Wohnungen in innerstädtischen Gebieten vereinfachen. Gerade in diesen sind aufgrund der auftretenden Nutzungskonflikte Planungen häufig langwierig und anspruchsvoll. Die Ausweisung Urbaner Gebiete kann das Ziel der Innenentwicklung somit befördern, da Wohnnutzungen durch höhere zulässige Immissionsrichtwerte möglich sind. Die Gemeinden können und sollten im Zuge der Planaufstellung für diesen Gebietstyp weitere Festsetzungen treffen, die geeignet sind, das Wohnen mit diesen gegenüber den in Kern-, Dorf- und Mischgebieten und erst Recht in allgemeinen und reinen Wohngebieten höheren Immissionsrichtwerten nicht wesentlich zu beeinträchtigen. Dass Wohnnutzungen im Urbanen Gebiet höheren Lärm „hinzunehmen“ haben, kann nicht das Ergebnis dieses neuen Gebietstyps sein. Vielmehr sollten Maßnahmen ergriffen werden, trotz höheren Lärms gesunde Lebensverhältnisse zu wahren. Soll die Bezeichnung des Gebietes nicht nur plakativer Vorwand für die Zulässigkeit höheren Gewerbelärms sein, ist auch auf die tatsächliche Nutzungsmischung hinzuwirken. Das Urbane Gebiet sollte somit nicht zwangsläufig und automatisch dort ausgewiesen werden, wo Gewerbelärm ein Wohn- oder Mischgebiet nicht erlaubt.

Zusammenfassende Erklärungen zum Flächennutzungsplan (§ 6a BauGB) und zum Bebauungsplan (§ 10a BauGB) sind bereits Standard und dazu geeignet, die Bauleitplanung hinreichend verständlich jedermann zu vermitteln. Durch die mit den neu eingeführten Regelungen erforderliche Bereitstellung der Pläne im Internet wird die Zugänglichkeit der Bauleitpläne nochmals verbessert. Für die Veröffentlichung neu aufgestellter Bauleitpläne dürfte dies aufgrund der inzwischen obligatorischen Digitalisierung kaum nennenswerten Aufwand für die Gemeinden mit sich führen. Vice versa dürfte die geforderte digitale Verfügbarkeit bestehender Bauleitpläne für eine Vielzahl von Gemeinden kaum kurzfristig umsetzbar sein. Ferner ist im Umweltbericht gem. Anlage 1 zu § 2 Abs. 4, §§ 2a und 4c fortan eine Übersicht über die voraussichtliche Entwicklung des Umweltzustands bei Nichtdurchführung der Planung nur noch dann anzuführen, soweit diese Entwicklung gegenüber dem Basisszenario mit zumutbarem Aufwand auf der Grundlage der verfügbaren Umweltinformationen und wissenschaftlichen Erkenntnisse abgeschätzt werden kann. Konkretisiert hat der Gesetzgeber zudem, in welchen Punkten die Prognose über die Entwicklung des Umweltzustands während der Planung und insbesondere während der Bau- und Betriebsphase zu erfolgen hat. Die Gemeinden haben dies bislang verschieden gehandhabt, sodass die Regelungen nicht überall zu einer veränderten Praxis führen wird. Vielmehr sind die genannten Aspekte nun einheitlich und verbindlich geregelt.

Auch dürfte die Änderung des § 214 Abs. 1 Nr. 2 BauGB durch eine neue Gliederung nun leichter zu handhaben sein, da die Regelung nun lesbarer formuliert, welche Verletzungen von Verfahrens- und Formvorschriften unbeachtlich sind. Der Gesetzgeber hat zudem klargestellt, dass es künftig nicht unbeachtlich ist, wenn der Hinweis nach § 3 Abs. 2 Satz 2 Halbsatz 2 BauGB (auch in Verbindung mit § 13 Abs. 2 Satz 2 und § 13a Abs. 2 Nr. 1 BauGB) fehlt. Hingegen ist es fortan unbeachtlich, wenn die Frist nach § 3 Absatz 2 Satz 1 BauGB bei Vorliegen eines wichtigen Grundes nicht oder nicht angemessen verlängert worden ist und die Begründung für die Annahme des Nichtvorliegens eines wichtigen Grundes nachvollziehbar ist.

Im Ergebnis eröffnet die Städtebaurechtsnovelle 2017 den Gemeinden neue und pragmatische Lösungen in der Bauleitplanung. Im Falle der Anwendung des § 13b BauGB ist darüber hinaus eine angemessene (und über das gesetzlich vorgeschriebene Maß hinausgehende) planerische Auseinandersetzung mit den Auswirkungen auf die Innenentwicklung, auf den Naturschutz und im Falle der Ausweisung Urbaner Gebiete i. S. v. § 6a Abs. 1 BauNVO mit den zu erwartenden Lärmauswirkungen wünschenswert, womit erhöhte Anforderungen an die Praxis verbunden sein dürften.


Quelle:

Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie 2014/52/EU im Städtebaurecht und zur Stärkung des neuen Zusammenlebens in der Stadt (Bundesgesetzblatt Jahrgang 2017 Teil I Nr. 25, 1057), ausgegeben zu Bonn am 12. Mai 2017.