§ Kommentar
Einzelhandelsauschluss: Festsetzung der Fortentwicklung vorhandener Nutzung?
Zu OVG NRW, Urteil vom 27.04.2020 – 10 D 32/19.NE -.
3. Juni 2020
Regelmäßig ist beim Einzelhandelsausschluss auf der Grundlage von § 9 Abs. 2a BauGB mit dem vorhandenen Einzelhandelsbestand „umzugehen“. Unter Umständen will die Gemeinde diesen dann nicht bloß auf den passiven Bestandsschutz setzen, sondern stattdessen die Fortentwicklung der vorhandenen Nutzung ermöglichen.
In der vorliegenden Entscheidung wendeten sich die Antragsteller gegen einen Bebauungsplan, der auf der Grundlage von § 9 Abs. 2a BauGB aufgestellt worden war. Planungsanlass war eine Bauvoranfrage für das den Antragstellern gehörende Grundstück, das mit einem kleinflächigen Lebensmittel-Discountmarkt bebaut ist. Gemäß der textlichen Festsetzung Nr. 1 des Bebauungsplans sind im gesamten Plangebiet Einzelhandelsbetriebe mit zentrenrelevanten Sortimenten gemäß der auf der Planurkunde abgedruckten Sortimentsliste unzulässig. Gemäß den textlichen Festsetzungen Nr. 2 und 3 sind bauliche Änderungen und Erneuerungen von vorhandenen genehmigten Einzelhandelsbetrieben mit den Kernsortimenten „Nahrungs- und Genussmittel“ und „Drogeriewaren“ am Standort eines weiteren Lebensmittel-Discountmarktes und auf dem Grundstück der Antragsteller zulässig. Für das Grundstück der Antragsteller ist zudem bestimmt, dass Erweiterungen der Verkaufsfläche um maximal 10 %, jedoch höchstens bis zur Grenze der Großflächigkeit, zulässig sind.
Hiergegen wendeten sich die Antragsteller und trugen (unter anderem) vor, dass Festsetzungen nach § 1 Abs. 10 BauNVO die Festsetzung eines Baugebiets voraussetzen würden und deshalb in einem Bebauungsplan auf der Grundlage von § 9 Abs. 2a BauGB unzulässig seien. Dem begründeten Normenkontrollantrag folgend urteilte das Gericht materielle Mängel am Bebauungsplan, da die textlichen Festsetzungen Nrn. 2 und 3 mangels Ermächtigungsgrundlage unwirksam sind. Die Unwirksamkeit dieser Festsetzungen führt auch zur Unwirksamkeit des Bebauungsplans insgesamt. Die Absicherung einer über den passiven Bestandsschutz hinausgehenden Fortentwicklung der vorhandenen Nutzung könne – so das Gericht – im Anwendungsbereich des § 9 Abs. 2a BauGB nicht über § 1 Abs. 10 BauNVO erfolgen, da diese Vorschrift nur bei der Festsetzung eines Baugebiets nach den §§ 2 bis 9 BauNVO greifen würde. Gerade dies sieht § 9 Abs. 2a BauGB jedoch nicht vor. Dies hatte das Gericht bereits in früheren Entscheidungen ausgeführt (Vgl. OVG NRW, Urteile vom 12. April 2016 – 10 D 58/14.NE – und vom 26. April 2013 – 10 D 39/11.NE –, juris Rn. 51).
Festsetzungen, dass bestehende planungsrechtlich zulässige baulichen Nutzungen auch weiterhin zulässig sein sollen oder ausnahmsweise zugelassen werden können, sollten sich somit auf § 9 Abs. 2a Satz 1 letzter Halbsatz BauGB stützen. Dieser ermöglicht, dass für Teile des räumlichen Geltungsbereichs des Bebauungsplans die Festsetzungen unterschiedlich getroffen werden. Es könnte im Rahmen eines vorgesehenen bauleitplanerischen Einzelhandelsausschlusses beispielsweise auch im Interesse einer verbrauchernahen Versorgung der Bevölkerung und der Innenentwicklung der Gemeinde geboten sein, wenn ein bestehender Lebensmittelmarkt oder ein Getränkemarkt außerhalb des zentralen Versorgungsbereichs weiterhin (ausnahmsweise) zulässig sein soll. Für das betreffende Grundstück könnten die Festsetzungen dann also unterschiedlich zu den weiteren Teilen des Geltungsbereichs getroffen werden.
Entscheidung:
OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 27.04.2020 – 10 D 32/19.NE -, juris.