Konversion ehemals militärisch genutzter Liegenschaften im Außenbereich: Ungenutzter Gebäudebestand bildet keinen Ortsteil!

§ Kommentar


Konversion ehemals militärisch genutzter Liegenschaften im Außenbereich: Ungenutzter Gebäudebestand bildet keinen Ortsteil!

Zu BVerwG, Urt. v. 23.11.2016 – 4 CN 2.16 -.

20. März 2017

 

Das BVerwG behandelte die Frage, ob ungenutzte Bestandsgebäude einer ehemals militärisch genutzten Liegenschaft im Außenbereich einen Ortsteil bilden. Relevant war dies im vorliegenden Fall, da dem Eingriff in das Eigentumsrecht im Innenbereich im Rahmen der Abwägung höheres Gewicht einzuräumen wäre.

Die Konversion ehemals militärisch genutzter Liegenschaften stellt eine städtebauliche Herausforderung dar. Besteht diese oftmals bereits in der schwierigen Entscheidungsfindung für eine sinnvolle und tragfähige Nachnutzung, sind unter Umständen – wie im vorliegenden Fall – auch Interessenskonflikte zwischen der planenden Gemeinde und den Grundstückseigentümern zu lösen.

Unstrittig war, dass sich das Vorhaben als Bestandteil eines im Zusammenhang bebauten Ortsteils und nach der Art der baulichen Nutzung, der Bauweise und der Grundstücksfläche, die überbaut werden soll, in die Eigenart der näheren Umgebung einfügt. Strittig war hingegen, ob es sich nach dem Maß der baulichen Nutzung in nähere Umgebung einfügt.

Der Bebauungsplan der Gemeinde überplante das 2003 in seiner ursprünglichen Nutzung aufgegebene Kasernengelände und somit auch eine Vielzahl ungenutzter Bestandsgebäude. Genutzt wurde lediglich eine Scheune als Lager. Die Eigentümerin der überplanten Grundstücke wandte sich gegen den Bebauungsplan, da sie ihr Eigentumsrecht für nicht ausreichend abgewogen hielt. Das VGH München urteilte hierzu, dass der Bebauungsplan erforderlich sei, wenngleich der Eigentümerin der Grundstücke der Abbruch der Gebäude widerstrebte. Ihm zufolge ist der überplante Bereich nicht im Sinne von § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB bebaubar. Da im vorliegenden Fall durch die überwiegend nicht gegebene Nutzung der Grundstücke keine Art der baulichen Nutzung ohne planerische Festsetzung feststellbar ist, liegt keine organische Siedlungsstruktur vor. Die Liegenschaft besitzt demnach keine Innenbereichsqualität. Das Eigentumsrecht an diesen Flächen im Außenbereich wurde somit nicht mit dem vergleichbaren Gewicht von Eigentum an Grundstücken im Innenbereich in die Abwägung eingestellt. Die Grundstückseigentümerin wandte sich vor dem BVerwG gegen diese Auffassung, da sie für das Kasernengelände auch nach Aufgabe der Nutzung weiterhin einen Ortsteil und somit einen unbeplanten Innenbereich annahm, da bestehende Gebäude nachnutzbar seien. Sie hatte damit jedoch keinen Erfolg.

Für das Einfügen in die Eigenart der näheren Umgebung nach dem Maß der baulichen Nutzung sind als vorrangige Bezugsgrößen die Größe nach Grundfläche, Geschosszahl und Höhe, bei offener Bebauung zusätzlich auch das Verhältnis zur Freifläche heranzuziehen. Nach Grundfläche und Höhe war ein Einfügen im vorliegenden Fall gegeben. Es kommt bei der Prüfung, ob das Vorhaben sich auch seinem Maße nach einfügt, nicht mehr erneut auf seine Art an, nämlich welches Maß von anderen baulichen Anlagen gleicher Art bereits realisiert ist. Nicht beipflichten wollte das BVerwG hingegen der Auffassung des Verwaltungsgerichtshofs, dass sich das Vorhaben nach der Geschosszahl in die nähere Umgebung einfügt, weil – so die Vorinstanz – sich in der Umgebung bereits ein dreigeschossiges Gebäude befindet. Der VGH ging davon aus, dass auch Gebäude mit derselben Geschosszahl und unabhängig von ihrer Grundfläche als Referenzobjekte in Betracht kommen. Das BVerwG hat jedoch deutlich gemacht, dass kumulierend auf die Maßstabsfaktoren abzustellen ist. Die Übereinstimmung in nur einem Maßstabsfaktor genügt hingegen nicht. Demzufolge hat der VGH die Sachlage jetzt weiter aufzuklären. Er muss feststellen, mit welcher Grundfläche das Referenzobjekt einen Vergleichsmaßstab bildet und ob die Grundfläche des Einfirsthofes dem entspricht.

Das BVerwG sah das Abwägungsgebot nicht verletzt. Die Gemeinde hatte die Belange der Grundstückseigentümerin hinreichend in die Abwägung eingestellt. Es urteilte, dass das Gelände keinen Ortsteil bildet, da es kein Ausdruck einer organischen Siedlungsstruktur ist. Es liegt keine Siedlungsstruktur mehr vor, die durch künftige Bebauung fortentwickelt werden kann. Eine organische Siedlungsstruktur kann selbst dann fehlen, wenn Art und Maß der baulichen Nutzung einen Rahmen vorgeben, die Bebauung diesen jedoch nicht hinsichtlich der Grundstücksflächen und Bauweise vorgeben. Mit einer Wiederaufnahme einer gleichartigen Nutzung war zudem nicht zu rechnen. Die bestehenden Gebäude – ein Offizierskasino, ein Landhaus und Unteroffiziersheime – sind zwar für eine Wohnnutzung – wie sie die Antragstellerin beabsichtigte – geeignet. Sie sind es jedoch auch für Beherbergungsbetriebe, Büros und weitere Nutzungen. Damit lässt sich für die künftige Entwicklung kein Rahmen der Art der baulichen Nutzung entnehmen.

Relevant ist das vorliegende Urteil für vergleichbare Problemkonstellationen bei Konversionen von ehemals militärisch genutzten Liegenschaften im Außenbereich, wie sie in vielen Regionen noch bevorstehen. Ist hier keine genehmigte Nutzung des Bestands vorliegend, dürfte sich aus Sicht der planenden Gemeinde ein Interessenskonflikt mit den Grundstückseigentümern bei angemessener Abwägung der Eigentumsrechte im Außenbereich im Sinne der Planverwirklichung zumeist auch „lösen“ lassen. Dass in solchen Fällen aber bereits vor und außerhalb des Bauleitplanverfahrens Interessenskonflikte mit betroffenen Grundstückseigentümern ausgeräumt und der Eingriff in das Eigentum ausgeglichen werden sollten, steht ganz außer Frage.


Urteil:

BVerwG, Urt. v. 23.11.2016 – 4 CN 2.16 – JurionRS 2016, 31738.

Entscheidung der Vorinstanz:

VGH München, Urt. v. 25.11.2015 – VGH 1 N 14.2049 -, http://www.gesetze-bayern.de/Content/Document/Y-300-Z-BECKRS-B-2016-N-40027.