§ Kommentar
Nebenanlage oder Teil der Hauptanlage?
Zu BVerwG, Urteil vom 14.12.2017 – BVerwG 4 C 9.16 -.
22. Januar 2018
Das BVerwG hat sich der Frage angenommen, ob ein an das Wohngebäude angeschlossener, eingeschossiger, etwa 15 m² großer Abstellraum Teil der Hauptanlage oder eine Nebenanlage ist.
Der Kläger begehrte eine Baugenehmigung bzw. hilfsweise einen Vorbescheid für eine Dachterrasse auf dem gegenständlichen Anbau eines dreigeschossigen Mehrfamilienhauses und einen darüber errichteten Balkon. Der Anbau verfügt über eine Glastür und ein Fenster zum Garten und kann vom Wohnzimmer aus betreten werden. Das Grundstück liegt im unbeplanten Innenbereich. Das OVG nahm an, dass sich das Vorhaben nach der überbaubaren Grundstücksfläche nicht in die Eigenart der näheren Umgebung einfügt und die maßgebliche Bebauung im rückwärtigen Bereich eine faktische Baugrenze aufweist, die durch die Dachterrasse und den Balkon überschritten wird. Der Kläger meinte, dass der Anbau Teil der Hauptanlage sei und deshalb als Vorbild für die überbaubare Grundstücksfläche dient, während das OVG hierin lediglich eine nicht prägende Nebenanlage zum Haupthaus sah.
Die Revision war begründet, da der Anbau keine Nebenanlage, sondern Teil der Hauptanlage ist. Nebenanlagen können nach der Rechtsprechung des BVerwG kein Bestandteil des Hauptgebäudes sein; zur Abgrenzung können funktionale und räumliche Gesichtspunkte herangezogen werden. Ob eine Anlage keine Nebenanlage ist, weil sie einen Teil der Hauptanlage darstellt, bemisst sich räumlich daran, ob sie ein eigenständiges Gebäude oder mit einem solchen konstruktiv verbunden ist. Ein an ein Wohnhaus angebauter Raum als Erweiterung der Hauptanlage ist im Regelfall keine Nebenanlage. Bei Nebenanlagen, die an die Hauptanlage angebaut sind, muss durch die Bauweise, die Gestaltung des Zugangs oder auf andere Weise die auf eine Nebenanlage beschränkte Funktion deutlich hervortreten. Nach diesem Maßstab ist im vorliegenden Fall der Anbau in räumlicher Hinsicht keine Nebenanlage, sondern Teil der Hauptanlage. Die Bauweise entspricht dem Hauptgebäude, der Anbau schließt nahtlos an das Hauptgebäude an, nutzt die bisherige Außenwand als Zimmerwand, ist vom Wohnzimmer aus zugänglich und vergrößert die Erdgeschosswohnung um einen Raum. Zwar kann funktionell ein Abstellraum gegenüber einer Wohnnutzung eine Nebenanlage sein, diese Funktion findet im gegenständlichen Fall aber keinen Ausdruck, da der Raum einem Aufenthaltsraum mindestens deutlich angenähert ist und auch ein Abstellraum je nach gelagerten Gegenständen (etwa: Lebensmittel, Winterkleidung, Spielsachen) funktionell der Wohnnutzung zugeordnet sein kann. Somit führen auch funktionelle Gesichtspunkte nicht zu einer anderen Einordnung.
Zur Abgrenzung einer Nebenanlage vom Teil einer Hauptanlage können somit funktionelle und räumliche Gesichtspunkte herangezogen werden. Im Leitsatz hat das BVerwG zudem ausgeführt, dass von dieser Abgrenzung die Frage zu unterscheiden ist, ob eine Nebenanlage untergeordnet ist. Das Oberverwaltungsgericht, an das die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen wurde, hat nunmehr die von ihm offen gelassene Frage zu beantworten, ob es an einem Einfügen nach der Grundfläche, die überbaut werden soll, fehlt, weil die durch den Anbau überbaute Fläche ein unbeachtlicher „Ausreißer“ gegenüber der Baugrenze ist bzw. andere Aspekte der Erteilung einer Baugenehmigung oder hilfsweise eines Vorbescheides entgegenstehen.
Urteil:
Zu BVerwG, Urteil vom 14.12.2017 – 4 C 9.16 -, ECLI:DE:BVerwG:2017:141217U4C9.16.0